Testbericht Seestar S50


  • Smart Teleskope sind ein neuer wichtiger Schritt in der Astrofotografie. Die Meinung über diese neue Teleskopgeneration ist zwiegespalten. Die Einführung dieser Teleskop Systeme wird zum Teil negativ aufgenommen, da das eigentliche Handwerk immer mehr in den Hintergurnd rückt. Für Einsteiger bieten diese Teleskopsysteme jedoch gute Chancen mit wenig Vorkenntnissen in das Hobby zu starten. Für professionelle Astrofotgrafen stellt die heutige Generation der Smartteleskope (Stand Juni 2024) eine interessante Option dar, jedoch bisher keinen Ersatz für ein klassisches Proifsetup. In disem Bericht teile ich meine persönlichen Erfahrungen mit dem Seestar. Ich vertrete hier meine eigene Meinung und bin nicht gesponsert vom Hersteller oder einem Händler.

 

Einleitung

Für ambitionierte Astrofotografen ist der Seestar S50 auf den ersten Blick wenig interressant. Bedingt durch die azimutale Bauart, tritt Bildfelddrehung auf, welche dazu führt, dass eine Langzeitbelichtung nicht möglich ist. In Kombination mit dem kleinen ungekühlten IMX 462 Farbsensor kann hier nur eingeschränkt Astrofotgrafie betrieben werden, hierzu später mehr. Im Netz gibt es Anleitungen, wie sich der Seestar S50 mittels Polhöhenwiege in den äquatorialen Modus verstzen lässt, um Langzeitbelichtung zu ermöglichen. Es verbleiben Einschränkungen wie der kleine Sensor und die mittelmäßige optische Abbildungsleistung.

Dennoch habe ich mir dieses kompakte Smart Teleskop im Januar 2024 als Ergänzung zu meinem bestehendem Astrofotografie Setup gekauft. Mit einem Preis von 779 Euro (Stand Januar 2024) bietet das Teleskop für verhältnismäßig wenig Geld ein Komplett System, welches gerade für Einsteiger einen einfachen Einstieg in die Beobachtung und Fotografie des Nachhimmels darstellt.

Mein Plan ist es, den Seestar S50 wegen seiner einfachen Bedienung und kurzen Einrichtungszeit immer dann zu verwenden, wenn es sich nicht lohnt, das große und deutlich schwerere Equipment aufzubauen. Dieser Fall tritt ein wenn es nur eine kurze Wolkenlücke gibt, die Wetterprognose unklar ist oder ich einfach zu müde / faul bin meine große Ausrüstung aufzubauen. Weiterhin ist der Seestar S50 eingeplant als Teleskop für Reisen und für die Verwendung bei Feiern mit Freunden und Familie. Mir ging es beim Kauf primär darum ein System zu erhalten, was sich möglichst automatisiert mit minimalem Einrichtaufwand zum Beobachten und Fotografieren nutzen lässt. Die Qualität der Optik und des Sensors war hier sekundär. Weiterhin war ich sehr daran interessiert dieses neue Teleskopkonzept zu testen.

Ich habe den Sesstar S50 bisher in mehr als 15 Nächten testen können. Insbesondere in Wetterphasen mit nur wenig Wolkenlücken spielt der Seestar seine Stärken aus, da das Teleskop im Gegensatz zu meinem Astrofotografiesetup innerhalb von 5min einsatzbereit ist. Obwohl das Gerät hinsichtlich optischer Abbildung, Auflösung und Sensor limitiert ist, kann der Seestar durchaus gut für bestimmte Objekte verwendet werden. Hierzu zählen Sterne, Sternhaufen, Kometen, Mond und eine Hand voll der hellsten Deep Sky Objekte.

 

Technische Daten

Der Seestar S50 ist ein kompaktes System mit integriertem Fokusmotor, Filterrad, Tauheizung und einem Datenspeicher. Damit weist der Sesstar S50 nahezu alle Funktionalitäten eines automatiserten Teleskop Systems auf. Über die kostenlose Seestar App lässt sich das Teleskop in wenigen Schritten am Himmel ausrichten und es können Aufnahmesessions gestartet werden. Alle Komponenten, inklusive Kamera sind fest verbaut, womit ein Austausch nicht möglich ist. Hier sind klassiche Systeme mit variablen Komponenten wesentlich flexibler und im Vorteil. Die Technik entwickelt sich stetig weiter. Bei einem System mit austauschbaren Komponenten hat der Astrofotograf somit immer die Möglichkeit seine Ausrüstung auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen. Dies ist mit einem geschlossenem System wie dem Seestar nicht möglich.

 

Seestar App

Für die Bedienung des Teleskopes ist die Seestar App erforderlich. Diese kann kostenlos aus dem App Store installiert werden. Die App ist für die Betriebssysteme Android und Mac verfügbar. Beim Starten der App muss zunächst eine Verbindung zum Teleskop aufgebaut werden. Die Reichweite ist auf etwa 10m begrenzt.

Nachfolgend erkläre ich einige Funktionen und Schritte innerhalb der App. Vor dem Ausrichten auf ein Himmelsobjekt muss das Teleskop zunächst nivelliert werden. Hierzu gibt es unter Advanced Feature den Button Adjust Level. Durch Ausrichten der Stativbeine müssen die beiden Kreise in Deckung gebracht werden auf einen möglichst kleinen Zahlenwert nahe Null. In kalten Nächten empfiehlt es sich die integrierte Tauheizung einzuschalten. Der Button hierfür findet sich ebenfalls in den Einstellungen. Weiterhin können die Bildformate beim Abspeichern festgelegt werden. Es kann zwischen MP4/AVI/TIFF/FITS gewählt werden.

Im nächsten Schritt suche ich mein Himmelsobjekt. Die App visualisiert Vorschläge zu Himmelsobjekten, welche zum entsprechenden Zeitpunkt besonders gut beobachtbar sind. Alternativ kann der Himmels Atlas genutzt werden, eine digitale Himmeleskarte. Mit der hinterlegten Datenbank lässt sich das gewünscht Himmelsobjekt finden.

Über den Button Go Gazing kann das Himmelsobjekt automatisch angefahren und der Bildausschnitt zentriert werden. Im Deep Sky Modus führt das Teleskop noch eine Kalibrierung und eine Bildoptimierung durch. Bei Bedarf kann über den Button AF eine vollautomatische Fokussierung durchgeführt werden. Dann kann final das Live Stacking gestartet werden. Hierbei wird Bild für Bild überlagert und mit zunehmender Belichtungszeit werden Details vom Himmelsobjekt sichbar.

 

Optische Qualität

1) Sternabbildung

Zur Beurteilung der Sternabbildung habe ich mit dem Aberrationsinspector in Pixinsight eine 10s Einzelbelichtung angeschaut. Das Objekt in diesem Beispiel ist NGC 884 und stand bei etwa 70° Höhe zum Zeitpunkt der Aufnahme. Die Sterne in der oberen linken und rechten Bildecke sind elongiert, bedingt durch eine Verkippung des Sensors. Weiterhin lässt sich eine leichte Koma an den äußeren Sternen feststellen. Die Sterne wirken trotz Fokussierung insgesamt leicht aufgebläht.

Bedingt durch die azimutale Nachführung tritt mit zunehmender Gesamtbelichtungszeit verstärkt Bildfeldrotation auf. Dies wird sehr deutlich am finalen Stack von 510 x 10s. Die Sterne an den Bildrändern sind elongiert und aufgebläht. Ein Großteil des Bildausschnittes muss daher im finalen Bild gecropped werden, was bei dem bereits kleinen Bildausschnitt nicht ideal ist. Größere Objekte lassen sich somit nicht in vollem Umfang auf dem Sensor des Seestar abbilden.

2) Reflexe, Halos

Insbesondere an hellen Sternen treten starke Halo und Reflexionen auf, welche nur schwer durch Bildbearbeitung zu korrigieren sind. Mein Eindruck ist, dass sich dieses Problem verstärkt bei Verwendung des integrierten Schmalbandfilters. Die Testaufnahme vom Pferdekopfnebel zeigt einen massiven Halo am Stern Alnitak. Bei Verwendung von Spikemasken sind mir verstärkt Reflexionen aufgefallen. Diese habe ich testweise an helleren Sternen wie Procyon oder Aldebaran getestet. Die Aufnahmen mit Spikemasken waren zumindest für meine Ansprüche unbrauchbar.

In Summe ist die Sternabbildung des Seestar nur mittelmäßig. Elongierte und aufgeblähte Sterne lassen sich teils mit Bildbearbeitung gut korrigieren. Die Halo an den hellen Sternen sind jedoch nicht vollständig mit Bildbearbeitung zu entfernen.

Nachfolgend einige Astrofotos, welche ich mit dem Seestar aufgenommen habe. Zum Stacken wurde Astro Pixel Processor verwendet und die Bilder anschließend mit Pixinsight bearbeitet. Grundsätzlich kann der Seestar die Aufnahmen aber auch selbständig stacken.

 
 

Sonnenfotografie

Dank des mitgelieferten Sonnenfilters ist die Beobachtung der Sonne im Weißlicht möglich. Vor dem Ausrichten des Teleskopes auf die Sonne weist die Seestar App darauf hin den Sonnenfilter aufzusetzen. Dies Funktion finde ich sehr gut und sinnvoll um eine Beschädigung des Teleskopes zu vermeiden. Bei dem Sonnenfilter handelt es sich um einen ND 5 Filter mit einem Bandpass von 580 nm bis 630 nm. Nachfolgend ein Bild vom Seestar S50 mit aufgestecktem Sonnenfilter.

Das Foto der Sonne ist in einer 5min Wolkenlücke entstanden, was die hohe Flexibiltät und schnelle Einrichtungszeit des Seestar S50 beweist. Auf der Sonnenoberfläche sind einige größere Sonnenfelcken zu erkennen. Bei der größeren Ansammlung handelt es sich um eine Gruppe von 62 kleineren Sonnenflecken mit der Bezeichnung AR 3664. Diese verändern sich ständig, was sich in Form von Flaires und Coronalen Massenauswürfen zeigt. Diese treffen auf die Erdatmosphäre und führen zu dem Phänomen der Polarlichter. Die dunklen Flecken sind etwa 1500°C kühler als das umgebende Gas. Die Ausdehnung ist 2mal so groß wie die Erde.

 

Zubehör

Der Seestar S50 kann grundsätzlich Out of the Box eingesetzt werden. Die hier vorgestellten Zubehörkomponenten sind optional und können das Handling mit dem Seestar erleichtern. Rückblickend haben sich insbesonndere die Externe Powerbank und der Nivellieradapter als sehr nützlich erwiesen.

1) Externe Powerbank

Der integrierte Akku hat bei Raumtemperatur eine Laufzeit von etwa 6 Stunden. Diese reduziert sich deutlich bei Minustemperaturen. Bei eingeschalteter Tauheizung halbiert sich die Akkulaufzeit auf etwa 3h. Je nach Bedarf verwende ich daher eine vorhandene Powerbak mit 27.000 mAh. Diese verbinde ich über den USB-C Anschluss mit dem Seestar.

2) Tauschutzkappe

Die Tauschutzkappe soll einen Taubeschlag der Frontlinse verhindern, Streulicht minimieren und den Kontrast erhöhen. Die Taukappe gibt es in verschiedenen Längen und ist 3D gedruckt. Die Kappe wird direkt auf die Teleskopöffnung aufgesetzt. In feuchten oder sehr kalten Nächten empfehle ich, die Tauschutzkappe in Kombination mit der im Seestar integrierten Tauheizung zu verwenden. Wie zuvor bereits erklärt, ist in diesem Fall die Nutzung einer externen Powerbank sinnvoll.

3) Spikemasken

Ich habe Spikemasken mit 4,6 und 8 Spikes testweise an hellen Sternen wie Sirius oder Aldebaran verwendet. Ich war mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Die Spikes waren stark aufgefächert und es enstanden hässliche, Tortenstück förmige Verdunklungen, wie ich es von Newton Teleskopen kenne, deren OAZ und Spiegelhalterungen in den Strahlengang ragen. In meinem Fall war die Qualität der 3D gedruckten Masken nur mittelmäßig. Die Spikes waren nicht symmetrisch , was ich dann später auch am Stern sehen konnte. Für mich stellen die Masken keine sinnvolle Ergänzung da. Ich würde diese nicht wieder kaufen.

4) Bahtinovmaske

Die Bahtinovmaske habe ich nur zu Testzwecken erworben. Grundsätzlich verfügt der Seestar über einen eingebauten Autofous, welcher meist sehr gut funktioniert. Eine Bahtinovmaske ist somit nicht notwendig. Lediglich beim Fokusieren von Planeten oder der Mondoberfläche hat der Autofokus gelegentlich Schwierigkeiten. Hier kann dann mittels Bahtinovmaske manuell am Stern fokussiert werden, bevor der Planet oder die Mondoberfläche fotografiert wird. Die Bahtinovmaske ist im Gegensatz zu den Spikemasken deutlich besser verarbeitet, ist mit knapp 30 Euro jedoch auch unverschähmt teuer. Meiner Ansicht nach sollte das Geld besser in eine Powerbank oder den nachfolgend vorgestellten Nivellieradapter investiert werden.

5) Nivellieradapter

Um den Seestar effektiv nutzen zu können, ist eine möglichst exakte Nivellierung des Teleskopes erforderlich. Mit den ausziehbaren Stativbeinen ist dies möglich. Jedoch ist das Handling umständlich und eine feinfühlige Verstellung ist nur eingeschränkt möglich. Hierfür gibt es jedoch Adapter von verschiedenen Herstellern, welche das feine Ausrichten an drei Auflagepunkten ermöglichen. Hierdurch wird der Vorgang vereinfacht und zugleich feinfühliger durchführbar.
 

Fazit

Ich habe den Seestar nun seit 5 Monaten im Einsatz (Stand Juni 2024). In diesem Zeitraum habe ich den Seestar in mehr als 15 Nächten ausgiebig an den verschiedensten Objekten testen können. Vor allem die extrem kurze Zeit zum Einrichten bis zum ersten Bild, die kompakte Bauform und die bedienerfreundliche Seestar App, welche regelmäßig geupdated wird sind mir dabei besonders positiv aufgefallen.

Der Seestar eignet sich zur Beobachtung und Fotografie von:

  • Mond
  • Sterne
  • Kometen
  • Transits (ISS...)
  • Hellere Nebel und Galaxien

Bei all den positiven Eigenschaften sind dem Teleskop aber auch Grenzen gesetzt. So ist das Teleskop wegen des kleinen Sensors mit geringer Auflösung und der fehlenden äquatorialen Nachführung nicht geeignet, um schwache Nebel und Galaxien gut abbilden zu können. Die Sternabbildung ist nur mittelmäßig. Es treten Halo und Reflexe an hellen Sternen auf. Die Sterne in den Ecken sind teils eleongiert.

Der Seestar ist nicht geeignet für:

  • Planeten
  • Lichtschwache, großflächige Nebel und Galaxien
  • Sonne nur eingeschränkt

Der Seestar ist mit seiner einfachen Bedienung ein gutes System, um als Einsteiger in kurzer Zeit mit minimalem Aufwand den Nachthimmel zu beobachten und zu fotografieren. Der Seestar ersetzt meiner Meinung nach jedoch nicht den Blick durch ein Okular an einem klassichen Teleskop. Trotzdem kann der Seestar eine sinnvolle Ergänzung sein und spielt insbesondere bei Reisen und kurzen Einsätzen in einer Wolkenlücke seine Stärken aus. Ein profesionelles Teleskop soll und kann der Seestar jedoch nicht ersetzen. Ich werde den Seestar zukünftig benutzen, wenn ich auf Reisen bin oder ich mein profesionelles Setup nicht aufbaue aufgrund einer unklaren Wetterlage. Dank des Seestar kann ich nun wesentlich häufiger den Nachthimmel beobachten.

Gesamtbewertung

Bauform, Design ★★★★★
Bedienung ★★★★☆
Abbildungsleistung ★★★☆☆
Zusatzfunktionen ★★★★☆
Preis-Leistung ★★★★☆
Gesamt

★★★★☆

Ich gehe davon aus, dass zukünftig weitere Systeme auf dem Markt erscheinen werden. Der Seestar S50 und andere Mitbewerber wie das Celestron Origin stellen hier nur den Anfang dieser neuen Teleskopgeneration dar. Vielleicht gibt es zukünftig für Astrofotografie optimierte Systeme mit gekühlten, monochromatischen Sensoren, einem äquatorialen Antriebskonzept und der Möglichkeit Kalibrierungsbilder automatisiert zu erstellen.

Ich empfehle den Seestar für Einsteiger in das Hobby als Ergänzung zu einem klassischen Teleskop. Weiterhin empfehle ich den Seestar für Reisen, Familienabende und kurze Einsätze bei schnell wechselnden Wetterverhälltnissen.

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